Die Geburt Jesu Christi geschah aber also: Als Maria, seine Mutter, dem Joseph vertraut war, fand sich’s, ehe er sie heimholte, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist. Joseph aber, ihr Mann, war fromm und wollte sie nicht in Schande bringen, gedachte aber, sie heimlich zu verlassen. Indem er aber solches dachte, siehe, da erschien ihm der Engel des Herrn im Traum und sprach: Joseph, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, dein Weib, zu dir zu nehmen; denn das, was in ihr geboren ist, das ist von dem Heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk selig machen von ihren Sünden. Das ist aber alles geschehen, auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht: Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden seinen Namen Immanuel heißen, das ist verdolmetscht: Gott mit uns. Da nun Joseph vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm des Herrn Engel befohlen hatte, und nahm sein Weib zu sich.
Matthäus gibt einem besonderen Blick auf die Geburt Jesu Christi. Während Lukas vor allem die Ereignisse aus der Perspektive Marias schildert, konzentriert sich Matthäus auf Joseph und seine Rolle im göttlichen Heilsplan. Joseph wird als gerechter Mann vorgestellt, der trotz seiner anfänglichen Zweifel Gottes Willen gehorsam folgt. Diese Passage unterstreicht die Erfüllung alttestamentlicher Prophetien und betont, dass Jesus der verheißene Immanuel (Gott mit uns) ist.
“Die Geburt Jesu Christi geschah aber also: Als Maria, seine Mutter, dem Joseph vertraut war, fand sich’s, ehe er sie heimholte, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist.” (V. 18).
Die sachlichen Darstellung der Geschehnisse der Empfängnis wird einfach und ohne Komplexität dargestellt. Maria war bereits mit Joseph verlobt, aber die Ehe war noch nicht vollzogen. Im jüdischen Kontext war eine Verlobung (erusin אֵרוּסִין) rechtlich bindend, und eine Trennung erforderte eine formale Scheidung. Die Feststellung, dass Maria schwanger war, bevor Joseph sie zu sich holte, hätte nach dem jüdischen Gesetz schwerwiegende Konsequenzen haben können, da eine Schwangerschaft außerhalb der Ehe als Ehebruch galt.
Die Erwähnung der Empfängnis „von dem Heiligen Geist“ ist hier das zentrale Element. Diese betont die übernatürliche Herkunft Jesu und unterstreicht seine Göttlichkeit und erfüllt die alttestamentliche Verheißung eines besonderen Messias.
“Joseph aber, ihr Mann, war fromm und wollte sie nicht in Schande bringen, gedachte aber, sie heimlich zu verlassen.” (V. 19). Joseph wird als ein „frommer“ Mann beschrieben, der die Gebote Gottes ernst nahm, aber letztendlich auch mit Barmherzigkeit handelte.
Er plante, sich heimlich von Maria zu trennen, um sie nicht öffentlich bloßzustellen. Das zeigt, dass er Mitgefühl für Maria hatte, obwohl er vermutlich tief verletzt war. Eine formelle öffentliche Scheidung (get, גֵּט) oder gar Anklage kam für ihn offenbar nicht in Frage. Wenn Joseph Maria öffentlich beschuldigt hätte, wäre sie womöglich vor ein jüdisches Gericht gebracht worden. In extremen Fällen hätte dies zur Steinigung führen können (5. Mose 22,23-24), wobei dies zur Zeit des Neuen Testaments nicht mehr üblich war und dennoch ihr öffentliches Ansehen geschadet hätte. Die heimliche Trennung hätte Maria vor öffentlicher Schande und möglichen Konsequenzen bewahrt. Nach 5. Mo 24,1 konnte ein Mann seiner Frau einen Scheidebrief ausstellen. Dieser wurde vor Zeugen und manchmal vor Ältesten des Ortes vollzogen.
Manche Rabbiner erlaubten auch eine stillschweigende Auflösung der Verlobung, also die Trennung mit nur zwei Zeugen, ohne einen öffentlichen Prozess. Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, da nach jüdischem Brauch eine verlobte Frau oft noch einige Zeit im Haus ihrer Eltern blieb, bis die Hochzeit vollzogen wurde, dass Maria dort verblieb und in ihrer Familie Zuflucht suchte – allerdings mit dem Stigma einer unehelichen Schwangerschaft. Josephs Absicht zeigt seine Barmherzigkeit durch eine diskrete und respektvolle Lösung, bevor Gott eingriff und ihn eines Besseren belehrte.
“Indem er aber solches dachte, siehe, da erschien ihm der Engel des Herrn im Traum und sprach: Joseph, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, dein Weib, zu dir zu nehmen; denn das, was in ihr geboren ist, das ist von dem Heiligen Geist.” (V. 20). Gott greift durch einen Engel ein, der Joseph im Traum erscheint. Er spricht ihn direkt an: „Joseph, du Sohn Davids“. Matthäus hebt so die königliche Abstammung Josephs hervor, die Jesus rechtlich in die Linie Davids stellt. Die Worte des Engels deuten darauf hin, dass Joseph große Zweifel oder gar Angst um sich selbst, aber auch um Maria hatte. Die Bestätigung, dass das Kind von Gott stammt, soll ihm die Unsicherheit nehmen. Der Engel gibt ihm Hilfe, indem er ihm vorhersagt, was geschehen wird und ihn anweist, was er zu tun hat. “Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk selig machen von ihren Sünden.”
Der Name Jesus lautet im Griechischen Ἰησοῦς (Iēsous) und im Hebräischen יֵשׁוּעַ (Jeschua), eine Kurzform von יְהוֹשֻׁעַ (Jehoschua), was „Jahwe rettet“ oder „Der Herr ist Rettung“ bedeutet. Gott wählt diesen Namen, um Jesu Mission unter den Menschen zu beschreiben: Die Befreiung von den Sünden.
Die Juden zur Zeit Jesu erwarteten einen Messias, der als irdischer König auftritt, das Volk Israel von der römischen Herrschaft befreit und das Reich Israels in politischer Macht wiederherstellt. Matthäus stellt jedoch klar, dass Jesu Mission nicht darin bestand, menschliche Erwartungen von Freiheit zu erfüllen, sondern eine weit tiefere Befreiung zu bringen – die Erlösung von der Sünde. Die wahre Gerechtigkeit, die er bringt, ist nicht eine nationale oder politische, sondern eine geistliche Gerechtigkeit vor Gott. Jesus kam nicht primär als weltlicher Herrscher, sondern als Retter, um Menschen aus der geistlichen Gefangenschaft zu befreien und sie in die Gemeinschaft mit Gott zurückzuführen.
“Das ist aber alles geschehen, auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht: Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden seinen Namen Immanuel heißen, das ist verdolmetscht: Gott mit uns.” (V.22-23). Matthäus belegt die Geburt Jesu mit der Prophetie aus Jesaja 7,14. Die Erwähnung des Namens „Immanuel“ ist hier bedeutend und wird von vielen Christen nicht immer ganz verstanden. Während sein Name “Jesus” seine Mission beschreibt, beschreibt der Name “Immanuel” seine Identität: “Gott mit uns”. In Jesus wird Gott Mensch und lebt unter seinem Volk (Joh 1,14).
“Da nun Joseph vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm des Herrn Engel befohlen hatte, und nahm sein Weib zu sich.” (V. 24). Joseph, zuvor als “frommer” Mann bereits beschrieben, zeigt hier erneut Gehorsam gegenüber Gott. Er handelt sofort nach der Weisung Gottes, trotz möglicher gesellschaftlichen Konsequenzen. Er könnte beschämt oder missverstanden werden, da Maria bereits vor der Hochzeit schwanger war. Doch Joseph folgt Gottes Worten allen Konsequenzen trotzdend.