Sprach Jesus Griechisch?

Es wird oft behauptet, dass Jesus von Nazareth ausschließlich Aramäisch sprach und kein Griechisch verstand. Doch wenn wir die historischen und biblischen Hinweise betrachten, zeigt sich, dass Jesus mit hoher Wahrscheinlichkeit serwohl Griechisch konnte. Das wird an der sprachlichen Situation Galiläas, den Hintergründen seiner Jünger und verschiedenen Ereignissen in den Evangelien deutlich.

Galiläa war ein von verschiedenen Kulturen geprägtes Gebiet. Seit der Zeit Alexanders des Großen (4. Jh. v. Chr.) war Griechisch die vorherrschende Sprache im östlichen Mittelmeerraum und blieb unter römischer Herrschaft die Lingua Franca. Städte wie Sepphoris und Tiberias, nahe Nazareth, waren griechisch geprägte Handelszentren, und es ist unwahrscheinlich, dass Jesus dort nur Aramäisch sprach.

Mehrere Jünger Jesu trugen griechische Namen, was auf einen kulturellen Kontakt mit der hellenistischen Welt hindeutet. Andreas (Joh 1,40) und Philippus (Joh 1,43) sind Beispiele dafür. Der Zöllner Levi (Mt) arbeitete für die Römer, was Kenntnisse in Griechisch erforderte (Mt 9,9). Petrus wurde nicht nur mit seinem aramäischen Namen Kephas, sondern auch mit dem griechischen Namen Petros bezeichnet (Joh 1,42).

Mehrere Evangelienberichte zeigen, dass Jesus mit Nicht-Juden sprach, die wahrscheinlich kein Aramäisch verstanden, sondern Griechisch. Der heidnische Hauptmann in Matthäus 8,5-13 bat Jesus um Heilung seines Dieners, und als römischer Offizier sprach er wohl kaum Aramäisch. Die syrophönizische Frau in Markus 7,24-30 war eine Griechin, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in ihrer Muttersprache mit Jesus sprach. Bei der Begegnung mit Pilatus (Joh 18,33-38) ist es ebenfalls wahrscheinlich, dass das Gespräch auf Griechisch stattfand, da Pilatus kein Aramäisch sprach.

Ein starkes Indiz für die Verbreitung der griechischen Sprache ist die Inschrift über Jesu Kreuz: „Es war aber auch eine Überschrift über ihm geschrieben in griechischer, lateinischer und hebräischer Sprache: Dieser ist der Juden König.“ (Lk 23,38) Diese dreisprachige Inschrift zeigt, dass Griechisch für die breite Öffentlichkeit verständlich war. Wäre Jesus nicht in der Lage gewesen, Griechisch zu sprechen, hätte dies seine Kommunikation erheblich eingeschränkt.

Jesus diskutierte regelmäßig mit den Pharisäern und Sadduzäern, die oft mit der griechischen Septuaginta vertraut waren. In Matthäus 22,15-22 fordert er seine Gegner heraus, eine römische Münze zu zeigen, auf der eine griechische Inschrift vorhanden war: „Zeiget mir die Steuermünze! Und sie reichten ihm einen Groschen. Und er sprach zu ihnen: Wes ist das Bild und die Überschrift?“ (Mt 22,19-20) Dies zeigt, dass er griechische Schriftzeichen kannte und mit der römisch-griechischen Kultur vertraut war.

Die historischen und biblischen Hinweise deuten darauf hin, dass Jesus neben Aramäisch auch Griechisch sprach. Die mehrsprachige Umgebung Galiläas, seine Interaktionen mit Heiden, die sprachlichen Hintergründe seiner Jünger und die Begegnungen mit Pilatus und anderen Römern machen es wahrscheinlich, dass Jesus Griechisch beherrschte. Dies unterstreicht, dass seine Botschaft nicht nur für die jüdische Welt bestimmt war, sondern auch für die griechischsprachige Bevölkerung.

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